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Lokaljournalismus stärkt die Demokratie + Gemeinden ohne Lokalzeitungen wählen eher die AfD + Europäisches Medienfreiheitsgesetz

April 2024

NEWS

Wie Lokaljournalismus die Demokratie stärkt: Die Enthüllungen über den Geheimplan gegen Deutschland im Januar haben nicht nur die politische Landschaft Deutschlands erschüttert, sondern auch die Bedeutung des Lokaljournalismus unterstrichen. In einem Videogespräch unmittelbar nach der Veröffentlichung der Recherche tauschten sich Dutzende Reporter von Lokalmedien aus ganz Deutschland über ihre Erlebnisse aus. Diese Zusammenkunft markierte den Beginn einer nun schon seit zwei Monaten stattfindenden täglichen Vernetzung im Netzwerk von Correctiv-Lokal, die es den Journalisten ermöglicht, lokale Folgen zu diskutieren, Ideen für weitere Recherchen auszutauschen und gemeinsam gegen Missstände vorzugehen. Die Reaktionen der Menschen auf die Enthüllungen des Geheimplans waren vielfältig. In einigen Städten gab es erste Proteste gegen die AfD und Rechtsextremismus, während sich in anderen Regionen Menschen verstärkt gegen rechte Umtriebe engagierten. Die Enthüllungen haben eine breite gesellschaftliche Diskussion angestoßen und dazu geführt, dass sich die Menschen vermehrt für Demokratie und Vielfalt stark machen. Die lokale Berichterstattung somit hat dazu beigetragen, Bewusstsein für die Gefahren rechtsextremer Ideologien zu schaffen und die Bürger zur aktiven Teilnahme am demokratischen Prozess zu ermutigen. correctiv.org, mediastories.podigee.io

Vom Niedergang des Lokaljournalismus zum Aufstieg der AfD: Schon seit Jahren lässt sich ein rasanter Rückgang der lokalen Berichterstattung beobachten. Während die AfD seit ihrer Gründung 2013 immer mehr Wähler für sich gewinnt, gibt es immer mehr Gemeinden ohne Lokalzeitung. Aktuell ist die AfD in 14 von 16 Landtagen vertreten und wäre laut Meinungsumfragen zweitstärkste Kraft im Bundestag. Maxim Flößer hat sich gefragt, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang lokaljournalistischer Angebote und den Aufstieg der AfD gibt. Im Rahmen seiner Masterarbeit für die Universität Stuttgart hat er deswegen untersucht, ob Menschen in Gegenden ohne Lokalberichterstattung tendenziell stärker für die AfD stimmen. Dabei hat er sich auf Landkreise in Baden-Württemberg beschränkt und seine These anhand vielfältiger Datenerhebungen für die dortigen Landtagswahl 2021 verifiziert. Demnach stimmten Wähler in Gemeinden ohne Lokalzeitung tatsächlich häufiger für die AfD als in Gemeinden mit mindestens einer lokalen Zeitung. In Baden-Württemberg ist die Gesamtauflage der Lokalzeitungen zwischen 2001 und 2021 um ein Drittel gesunken. Das zeigte der Jahresbericht 2021 des Verbands der Süddeutschen Zeitungsverleger. Schon jetzt werden nicht mehr alle Landkreise von eigenständigen Lokalzeitungen oder zumindest von Lokalredaktionen überregionaler Zeitungen abgedeckt. Baden-Württemberg ist dabei jedoch kein Einzelphänomen: Auch im Rest von Deutschland schreitet dieser Trend voran. Noch gibt es deutschlandweit zwar eine relativ hohe Dichte an Lokalzeitungen, doch es herrschen große regionale Unterschiede. Während es in Bayern mehr als 50 Lokalzeitungen gibt, berichten in Thüringen gerade mal sechs Blätter vor Ort. kontextwochenzeitung.de, zvw.de

Simone Lange gründet neue Lokalzeitung in Flensburg: Mit dem Auflagenrückgang von Lokalzeitungen und Schließungen ganzer Redaktionen sind Neugründungen besonders selten geworden. Dennoch hat die ehemalige Oberbürgermeisterin von Flensburg Simone Lange diesen Schritt gewagt. Gemeinsam mit ihrem fünfköpfigen Redaktionsteam berichtet sie in einer Wochenzeitung über das Geschehen in der nördlichsten Stadt Deutschlands. Dazu hat sie die Wirklich Verlag GmbH mit eigenem Kapital gegründet. In Flensburg gab es zuvor bereits die Wochenzeitungen „Moin Moin“ und „Palette Nordfriesland“, die allerdings Anfang vergangenen Jahres eingestellt wurden. Die dadurch entstandene Lücke will Lange nun wieder schließen und die lokale Berichterstattung des noch verbliebenen „Flensburger Tageblatt“ erweitern sowie vertiefen. Dabei sei es nicht ihre Motivation, ein politischer Gegenpol zu sein, sondern durch Medienvielfalt zu einer gut funktionierenden Demokratie beizutragen. Auch die wachsenden Erfolge der AfD in Regionen ohne vielfältige Lokalmedien seien eine Motivation. Bislang sei Flensburg zwar eine weitgehend AfD-freie Zone, sollte es allerdings doch irgendwann zu einem Wählerzuwachs in der Stadt kommen, würde Lange dagegen ankämpfen. Dass umfassende Lokalberichterstattung beim Wahlverhalten der Bürger einen Unterschied macht, wurde zuletzt durch eine wissenschaftliche Studie von Maxim Flößer bewiesen. demo-online.de, wirklichverlag.de

Pauline Tillmann übernimmt Geschäftsführung beim „karla Magazin“: Nachdem das Magazin „karla“ aus Konstanz im vergangenen Jahr eingestellt werden musste, wird nun ein Neuanfang gewagt. Die Rückkehr wird durch eine Förderung der Deutschen Postcode Lotterie ermöglicht. Dabei soll Pauline Tillmann die Geschäftsführung übernehmen und sich um den neu geschaffenen Werkzeugkasten kümmern. Dieser dient dazu in Kooperation mit der Journalisten-Vereinigung „Netzwerk Recherche“ das gesammelte Wissen mit anderen Medien-Startups zu teilen. Die freie Journalistin Sophie Tichonenko ist wiederum für die Projektleitung der neugegründeten „Büger:innenredaktion“ verantwortlich. Nach eigenen Angaben steht der Relaunch der karla-Webseite unmittelbar bevor. Die Inhalte sollen bis Ende 2024 ohne Paywall oder Abo frei verfügbar sein. Bereits 2021 wollte Gründer und Redaktionsleiter Michael Lünstroth mit dem „karla Magazin“ liefern, was mittlerweile immer mehr im Lokaljournalismus fehlte: kritische Berichterstattung, Hintergrundberichterstattung und investigative Recherchen. Mit der Motivation, den Lokaljournalismus besser zu machen, tat Lünstroth sich mit Gleichgesinnten zusammen und startete ein Crowdfunding, mit dem insgesamt ein Startkapital von 100.000 Euro zusammenkam. Das Ziel war, dass das Magazin frei und unabhängig von Werbung funktioniert. Dazu musste es sich über Abos finanzieren und hoffte zusätzlich auf Spenden. Besonders Stiftungen zögern allerdings, ihr Geld in den Journalismus zu investieren, da Gemeinnützigkeit und Journalismus bislang nicht so recht zusammen zu passen zu scheinen. Schlussendlich ging dem „karla Magazin“ 2023 das Geld aus. Aus Lünstroths Sicht hätte das Magazin im Jahr 2025 allerdings genug Abonnenten gehabt, um sich auch ohne Stiftungsgelder selbst zu finanzieren. newsroom.de, journalist.de

Viele Gemeinden in Baden-Württemberg ohne Lokalzeitung: In der Gemeinde Fichtenau, ganz im Osten von Baden-Württemberg, fehlt es an regelmäßiger Berichterstattung. Mit nur knapp 5.000 Einwohnern ist die Gemeinde zu klein für eine eigene Zeitung. Die Bürgermeisterin, Anja Schmidt-Wagemann, betont jedoch die Wichtigkeit von sachlicher und gut recherchierter Berichterstattung, um Missverständnisse zu vermeiden und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Das Fehlen von Lokalzeitungen in vielen Gemeinden hat laut einer Untersuchung des Journalisten und Sozialwissenschaftlers Maxim Flößer das Erstarken populistischer Kräfte begünstigt. Die öffentliche Diskussion leidet unter dem Informationsmangel, was zu Unverständnis und Missgunst führen kann. Auch Markus Pfalzgraf, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands Baden-Württemberg, betont die Bedeutung von Qualitätsjournalismus auf lokaler und regionaler Ebene für die Demokratie. Die Landesregierung unterstützt die lokalen Medien deswegen finanziell, um die Vielfalt und Qualität der Berichterstattung zu erhalten.
Nicht nur auf lokaler und regionaler Ebene, sondern auch auf Bundesebene wird das Thema Lokaljournalismus diskutiert. Medienstaatsministerin Claudia Roth fordert beispielsweise mehr Unterstützung für regionale Berichterstattung und eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Presseprodukte. Um die lokale Berichterstattung zu stärken, könnten außerdem Kooperationen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Möglichkeit sein. kontextwochenzeitung.de

MABB vergibt Fördermittel für 36 lokaljournalistische Projekte: Zum vierten Mal fördert die mabb im Rahmen des Förderprogramms Lokaljournalismus neue Angebote in Brandenburg. Insgesamt waren bis Einsendeschluss 65 Anträge mit einem Volumen von über zwei Millionen Euro bei der mabb eingegangen. Somit war das Förderprogramm mehrfach überzeichnet und der Medienrat musste eine Auswahl treffen. Gefördert werden nun 36 lokaljournalistische Projekte für 13 Landkreise und drei kreisfreie Städte. Die Fördermittel für 2024 belaufen sich auf eine Million Euro und es können erstmals auch Projekte mit einer Laufzeit von bis zu 23 Monaten gefördert werden. Im Superwahljahr in Brandenburg mit Europa-, Landtags-, und Kommunalwahlen beschäftigen sich viele der neuen Angebote mit dem Thema Wahlen und der Einordnung der Wahlergebnisse. Dabei wird auf innovative lokaljournalistische Formate gesetzt, bei denen beispielsweise Bürger ihre Ideen einbringen können oder Künstliche Intelligenz zur Auswertung von Wahlergebnissen genutzt wird. mabb.de

Fusion als Lösung oder Demokratiedefizit? Schwäbischer Verlag übernimmt Schweriner Volkszeitung in Mecklenburg-Vorpommern. katapult-mv.de

Forschungsprojekt Christopher Buschow und Maike Suhr untersucht zukünftige Arbeitsweisen im Journalismus: Der Journalismus befindet sich im ständigen Wandel, nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung. Prof. Dr. Christopher Buschow und Maike Suhr von der Hamburg Media School und der Bauhaus-Universität Weimar leiten nun ein Forschungsprojekt, das die Zukunft des Journalismus im digitalen Zeitalter untersucht. Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, konzentriert sich das Projekt darauf, wie sich Organisationsstrukturen und Arbeitsprozesse in Redaktionen verändern und welche Organisationsformen der digitale Verlag des 21. Jahrhunderts benötigt. Dazu haben die Forscher tiefgehende Fallstudien zu 11 Neugründungen im deutschsprachigen Raum durchgeführt, um Einblicke in mögliche Entwicklungspfade von journalistischer Arbeit und Zusammenarbeit zu gewinnen. Sie identifizierten dabei „good practices“ von New Work im Journalismus. Erste empirische Ergebnisse wurden kürzlich auf der 69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft präsentiert und diskutiert. Das Projekt wurde im Rahmen der Sachbeihilfe „Neue Formen der organisierten Zusammenarbeit im Journalismus“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. hamburgmediaschool.com

Ratgeber

Badische Zeitung investiert in innovative Podcast-Formate mit KI-Stimmen: Die Badische Zeitung hat seit Oktober 2022 mit dem Podcast „200 Sekunden Baden“ eine neue Art der regionalen Nachrichtenberichterstattung eingeführt. Täglich am Morgen präsentiert der Podcast in 200 Sekunden aktuelle Neuigkeiten aus der Region, gesprochen von KI-Stimmen. Das Ziel war es, einen knappen und informativen Überblick zu bieten und gleichzeitig den Aufwand für die Redaktion zu testen. Die Auswahl und Umformulierung der Nachrichten werden dabei weiterhin von menschlichen Mitarbeitenden übernommen, während KI-Stimmen die Texte vertonen. Trotz einiger Herausforderungen, wie Aussprachefehlern bei Eigennamen, erzielt das Format monatlich rund 15.000 Plays. Parallel dazu wurde der Podcast „BZ am Ohr“ als Kontrast zu „200 Sekunden Baden“ entwickelt. Dieser bietet ein breiteres Spektrum an Themen und Expertise aus der Region und erscheint einmal pro Woche als halbstündiges Gesprächsformat. Mit rund 1.500 Plays pro Folge hat sich das Format seit seinem Start im April 2023 etabliert und gewann direkt im Gründungsjahr den European Newspaper Award. turi2.de

Europäisches Medienfreiheitsgesetz: Neuer Schutz für Journalisten und Medien: Das Europaparlament hat Anfang März ein neues Gesetz zum Schutz von Journalisten und Medien vor politischer oder wirtschaftlicher Einflussnahme verabschiedet. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 464 zu 92 Stimmen bei 65 Enthaltungen wurden die neuen Regeln angenommen. Das Gesetz verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die Unabhängigkeit der Medien zu schützen und jegliche Einmischung in redaktionelle Entscheidungen zu verbieten. Es stellt sicher, dass Behörden Journalisten nicht dazu drängen können, ihre Quellen offenzulegen, und ermöglicht den Einsatz von Spähsoftware. Das allerdings nur nach vorheriger Genehmigung durch eine Justizbehörde. Öffentlich-rechtliche Medien müssen zudem transparent und diskriminierungsfrei geführt werden, und ihre Finanzierung muss langfristig tragbar sein. Außerdem müssen Medienanbieter Informationen über ihre Eigentumsverhältnisse veröffentlichen, um die Transparenz zu erhöhen. l-iz.de

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Volontariat im Lokaljournalismus bei „Sächsische Zeitung“ in Görlitz/Zittau: Die Redaktion von „sächsische.de“ und „Sächsische Zeitung“ schreiben aktuell ein zweijähriges Volontariat für Regionaljournalismus aus. Start des Volontariats ist nach Absprache zum nächstmöglichen Zeitpunkt möglich. Während des Volontariats erhält man eine breitgefächerte Ausbildung mit Schwerpunkt auf Online-Journalismus und Social Media. Außerdem nimmt man über mehrere Wochen hinweg an verschiedenen Kursen der Henri-Nannen-Journalistenschule teil. Von den Bewerbern werden erste Erfahrungen im Schreiben, Recherchieren und Aufbereiten von Themen aller Art, sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium erwartet. digital-sales.de

Termine

Das 26. Forum Lokaljournalismus, veranstaltet von der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Donaukurier, findet von Mittwoch, 10. April, bis Freitag, 12. April, in Ingolstadt und Eichstätt statt. Unter dem Thema „Künstliche Intelligenz im Lokaljournalismus: Chancen, Potenziale und Risiken“ werden drängende Themen des Lokaljournalismus diskutiert. Renommierte Referenten analysieren gesellschaftspolitische Entwicklungen, während Workshops praxistaugliche Lösungen präsentieren. Das Forum bietet eine exklusive Plattform zum praxisorientierten Austausch für Entscheidungsträger sowie Medienschaffende im Lokaljournalismus. drehscheibe.org

Correctiv.Lokal Konferenz 2024: Von Samstag, 27. April, bis Sonntag, 28. April, treffen sich rund 300 Medienschaffende aus ganz Deutschland an der Universität Erfurt und nehmen an vielfältigen Diskussionsrunden und Workshops teil. Themen sind dieses Jahr unter anderem Investigativ- und Hintergrundberichterstattung, die Zukunft des Lokaljournalismus und das Superwahljahr 2024. Tickets sind ab sofort erhältlich. correctiv.org

Jugendmediencamp 2024: Das Jugendmediencamp findet dieses Jahr von Freitag, 17. Mai, bis Montag, 21. Mai, in Kratzeburg in Mecklenburg-Vorpommern statt. Die Teilnehmer erwarten spannende Medienworkshops zu vielfältigen Themen rund um Radio, Fotografie, Boulevard-Journalismus und mehr. jpb.de

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