Ratgeber

US-Lokalzeitung „The Pilot“: Ein Erfolgsmodell inmitten des Zeitungsrückgangs

Der Rückgang von lokaljournalistischer Berichterstattung und Print-Angeboten ist sowohl in Deutschland als auch in den USA ein Problem. In letzterem sprechen Studien immer wieder von Nachrichtenwüsten und Geisterzeitungen. Die Lokalzeitung „The Pilot“ aus North Carolina zeigt allerdings nun, wie guter Lokaljournalismus erfolgreich funktionieren kann. David Woronoff, Herausgeber von „The Pilot“, und sein Team sind fester Bestandteil des örtlichen Lebens und nahe an den rund 17000 Bürgern von Southern Pines. Das Erfolgsrezept der Zeitung besteht dabei nicht nur aus der lokalen Berichterstattung sondern auch aus den lokalen Anzeigen, die das Blumengeschäft im Ort und die Restaurants bewerben.

Besonders innovativ ist die Erweiterung des Angebots durch ein jährlich erscheinendes Hochglanzmagazin names „The Best of the Pines“. Hier können die Leser über einen Zeitraum von drei Monaten die besten Dienstleistungen in der Gegend wählen. Das führt dazu, dass die Dienstleister eifrig Anzeigen schalten. Auch nicht lokale Unternehmen, wie Großbanken oder Krankenhäuser, inserieren, da das kostenlose Magazin von Vielen als Leitfaden aufbewahrt wird. Der Vorteil: Das Magazin dient sowohl als Einnahmequelle als auch als Interaktionsmöglichkeit mit der Leserschaft. Chefredakteur John Nagy sieht das Magazin dabei weniger als großen Journalismus, sondern vielmehr als Finanzierungsmöglichkeit für den wirklichen Journalismus.

Insgesamt beschäftigt „The Pilot“ elf Journalisten und veröffentlicht sowohl online als auch im Print mit einer Auflage von 9000. Die Lokalzeitung erscheint zweimal wöchentlich, kostet mittwochs einen Dollar und sonntags 1,50 Dollar. In den Jahren 2015, 2016 und 2017 wurde „The Pilot“ von der National Newspaper Association zur besten „Community Newspaper in Amerika“ gewählt. Laut Journalismus-Professorin Penelope Muse Abernathy müsse eine gute Lokalzeitung vor allem für die Bevölkerung bezahlbar sein, auf die lokalen Bedürfnisse und Erwartungen eingehen und auf innovative Weise Einkommen generieren. All das wird durch die Redaktion von „The Pilot“ täglich aufs Neue realisiert. sueddeutsche.de, thepilot.com

Badische Zeitung investiert in innovative Podcast-Formate mit KI-Stimmen

Die Badische Zeitung hat seit Oktober 2022 mit dem Podcast „200 Sekunden Baden“ eine neue Art der regionalen Nachrichtenberichterstattung eingeführt. Täglich am Morgen präsentiert der Podcast in 200 Sekunden aktuelle Neuigkeiten aus der Region, gesprochen von KI-Stimmen. Das Ziel war es, einen knappen und informativen Überblick zu bieten und gleichzeitig den Aufwand für die Redaktion zu testen.
Die Auswahl und Umformulierung der Nachrichten werden dabei weiterhin von menschlichen Mitarbeitenden übernommen, während KI-Stimmen die Texte vertonen. Trotz einiger Herausforderungen, wie Aussprachefehlern bei Eigennamen, erzielt das Format monatlich rund 15.000 Plays.
Parallel dazu wurde der Podcast „BZ am Ohr“ als Kontrast zu „200 Sekunden Baden“ entwickelt. Dieser bietet ein breiteres Spektrum an Themen und Expertise aus der Region und erscheint einmal pro Woche als halbstündiges Gesprächsformat. Mit rund 1.500 Plays pro Folge hat sich das Format seit seinem Start im April 2023 etabliert und gewann direkt im Gründungsjahr den European Newspaper Award.
Die Badische Zeitung plant, ihre Podcast-Formate weiter auszubauen und neue Zielgruppen anzusprechen. Zudem sollen Schulungen für Mitarbeitende und die Weiterentwicklung der KI-Stimmen vorangetrieben werden. Trotz der Vorteile von KI im Audiobereich betont die verantwortliche Audio-Redakteurin Lisa Böttinger die Bedeutung menschlicher Empathie beim Hören von Audioinhalten. turi2.de

Welches Potential KI für den Lokaljournalismus hat

Der Lokaljournalismus steht vor der Herausforderung steigende Kosten und fehlenden Journalistennachwuchs zu bewältigen. Hinzu kommt, dass im Lokaljournalismus Berichterstattung zu vielen unterschiedlichen Themen für kleine Lesergruppen gefragt ist. Das ist zeitaufwendig und erfordert viele personelle Ressourcen.

Lösungen können KI-Tools bieten, schreibt Drehscheibe von der Bundeszentrale für Politische Bildung: Diese können große Textmengen zu unterschiedlichen Themen schneller erstellen, verarbeiten und orchestrieren. Ein Beispiel dafür ist das Schreiben einer Polizeimeldung mithilfe von ChatGPT innerhalb von nur zehn Minuten. Dabei wird der Inhalt natürlich durch einen Redakteur überprüft. Auch bei der Anpassung desselben Inhalts für verschiedene Kanäle ist KI hilfreich. Die Aufbereitung von Artikeln für die sozialen Netzwerke, Newsletter und den Online-Auftritt ist für Lokaljournalisten nämlich sehr aufwendig. Trotz automatisierter Lösungen durch KI sind Reporter und Autoren wichtiger denn je. Während KI den Journalisten die Arbeit bei den kleinteiligen Themen abnimmt, haben die Reporter mehr Zeit für die lokalen Topthemen und intensive Recherche. Denn eine KI kann natürlich nicht in der Ratsversammlung sitzen oder bei Katastrophen vor Ort bei den Menschen sein. drehscheibe.org

„Schneller und effektiver“ – Wie Lokalzeitungen Künstliche Intelligenz einsetzen

Die brandenburgischen Lokalzeitungen Fläming 365 und Zauche 365 testen seit Mai diesen Jahres ein Projekt zur Einbindung von künstlicher Intelligenz. Möglich ist das nur, weil sie dafür eine Förderung von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg MBB erhalten. Denn die Artikel von Fläming 365 und Zauche 365 können kostenlos gelesen werden. Verfasst werden sie von rund 85 freien Bürgerjournalisten, wie das Motto der Zeitungen erkennen lässt: „von uns-für uns!“.

Weil die Autoren ohne Bezahlung und oft zusätzlich zu ihren eigentlichen Berufen für die Zeitungen schreiben, lag ein Augenmerk bei der Einbindung künstlicher Intelligenz darauf, diese Arbeit schneller zu gestalten, wie Verlagsgründer Andreas Trunschke auf einem Kongress für Lokaljournalismus im September erklärte: „Wenn man in seiner Freizeit unterwegs ist, muss das effizient passieren“. Beispielsweise nutzen die Zeitungen die KI-basierte Software GoSpeech, um Tonspuren von Interviews automatisiert zu verschriftlichen oder das Programm MurfAI, um Texte vorlesen zu lassen. Etwas abgehackt klingt die Stimme noch, doch für Menschen, die beispielsweise Schwierigkeiten beim Lesen haben, leistet die KI einen wichtigen Beitrag zur Barrierefreiheit. Allein in Brandenburg schätzt das Bildungsministerium die Zahl der Betroffenen auf immerhin 180.000 Menschen. Ein Teil der Texte, etwa zum Ukrainekrieg, wird zuvor noch übersetzt, um sie auch nicht-deutschsprachigen Lesern zugänglich zu machen. So wolle man, erläutert Trunschke, die Zielgruppe der beiden Zeitungen erweitern.

Auch die Software ChatGPT kommt zum Einsatz. Für eine Textreihe über den Klimawandel generiert sie beispielsweise Überleitungen zwischen Textteilen, die von den Journalisten selbst verfasst werden. So bleibt mehr Zeit für die Recherche vor Ort und Gespräche mit Protagonisten. Bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz legen die Zeitungen Wert auf Transparenz: neben einem einleitenden Hinweis auf die Verwendung finden sich schon auf dem Titelbild groß die beiden Buchstaben „KI“. Skeptiker können aber beruhigt sein: „Das eigentliche Interview fand selbstverständlich zwischen Menschen statt.“

Rettung des Lokaljournalismus durch Wochenformat?

Die Boulevardzeitung „Hamburger Morgenpost“ wird ab April nur noch wöchentlich erscheinen. Grund dafür sei vor allem die hohe Diskrepanz zwischen den knapp 16.000 verkauften Exemplaren pro Tag am Kiosk und den rund 450.000 täglichen Nutzern Online. Dennoch möchte der Verleger Arist von Harpe die Hamburger Morgenpost nicht rein digital auf Mopo.de umstellen. Das würde dazu führen, dass sie sich nicht mehr den Journalismus leisten können, den sie jetzt haben. Durch die Umstellung auf eine wöchentliche Erscheinungsweise ändert sich auch die Umsatz-Kostenstruktur. Somit macht die Print-Veröffentlichung auch bei sinkenden Auflagen längerfristig Sinn. Erscheint die Zeitung nur noch einmal die Woche, fallen die Druckkosten an den anderen fünf Tagen weg. Von Harpe hat sich hier für den Freitag als Erscheinungstag entschieden. Grund dafür sei, dass durch das Homeoffice immer mehr Menschen ihren Wocheneinkauf am Freitag erledigen. Insgesamt soll Lokaljournalismus mit Substanz geschaffen werden. Das bedeutet, dass es keine Meldungen, Konzertberichte oder rein überregionale Geschichten geben wird. Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen, sollen nur berichtet werden, wenn auch tiefer gebohrt wird. Die Wochenzeitung wird mit 4,80 Euro doppelt so viel kosten wie die bisherige Wochenendausgabe mit 2,40 Euro. kress.de

Von Fußballfeldern bis Badewannen – Flächen anschaulich umrechnen

Um Flächenangaben oder auch Literangaben den Lesern anschaulich zu machen, werden oftmals Vergleiche verwendet, die nur schwer vorstellbar sind. So empfindet es zumindest Autor und Journalist Konrad Lischka. Deshalb hat er einen Rechner konzipiert, der anschauliche Vergleiche für Flächen ausgibt. Der Umrechner kann Flächen in Quadratmetern, Hektar und Quadratkilometern berechnen und mit Objekten aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet vergleichen. Gibt man eine Fläche von 500 Quadratmetern ein, weiß man anschließend, dass das ungefähr der Hälfte der Durchschnittsfläche eines Supermarkts entspricht. Als Referenzgröße für die Fläche eines Supermarkts wurde hier die Durchschnittfläche eines Aldi Süds verwendet. konradlischka.info

Wie lösungsorientierter Journalismus im Lokalen funktioniert

Das Bonn Institute hat im Jahr 2022 mit der Lokalredaktion der Rheinischen Post in Mönchengladbach zusammengearbeitet, um lösungsorientierten Journalismus zu untersuchen. Die Redaktion wählte zunächst einen Themenkomplex, die Innenstadtplanung, teilte diesen dann in Unterthemen auf, innerhalb dieser Unterthemen wurden spezifische Aspekte identifiziert. Jeder Artikel sollte sich mit einem Aspekt beschäftigen. Die letzte Aufgabe bestand darin, Lösungsansätze für den jeweiligen Teilaspekt zu recherchieren. Das Besondere an diesem Experiment war auch der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürger, die bei einer Veranstaltung in der Stadt selbst ihre Anmerkungen und Wünsche zur Stadtplanung äußern konnten. Das Ergebnis zeigte, dass bei lösungsorientierten Artikeln die Leserinnen und Leser engagierter waren und vor allem länger auf der Seite blieben. Das Bonn Institute warnt jedoch davor, dass 20 Berichte zu wenig seien, um die Genauigkeit der Ergebnisse messen zu können. correctiv.org

Künstliche Intelligenz schlau nutzen

Künstliche Intelligenz mag der Feind des journalistischen Arbeitsplatzes sein, aber Redaktionen können von ChatGBT profitieren. Das Tool entwickelt und verbessert sich sehr schnell. Journalist*innen müssen schnell lernen, wie man am besten mit ChatGBT umgeht, um Produktionsprozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. KI kann bei Themenvorschlägen und Recherchen helfen und Medienmacher*innen die Möglichkeit geben, mehr Zeit für qualitativen Journalismus zu haben, indem das Tool andere Aufgaben wie das Erstellen von Illustrationen oder Teaser-Vorschlägen übernimmt. Es könnte die Existenz der Pint-Ausgaben etwas länger am Leben erhalten, indem es ein Luxusprodukt mit wenig Ressourcen und geringer Finanzierung anbietet. Wichtig bleibt, dass ein Mensch die KI-generierten Ergebnisse überprüft. Das KI-Tool kann nicht ohne menschliche Überprüfung eingesetzt werden. Das Risiko einer Standardisierung der Inhalte und eines Mangels an unabhängigen Informationen bleibt hoch. drehscheibe.org

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